Von Berlin zum LNW Mecklenburg-Vorpommern: Was macht Christian?

Nachdem ich 2 Jahre ehrenamtlich für das Lotsennetzwerk in Berlin tätig war, bin ich nach Waren Müritz in Mecklenburg-Vorpommern (MV) gezogen und habe mich dem LNW MV angeschlossen. Das heißt, ich leite hier, ähnlich wie in Berlin, einmal wöchentlich eine Selbsthilfegruppe in einer Entgiftungsstation und alle drei Wochen stelle ich das LNW MV im Rahmen einer Informationsveranstaltung vor.

In Berlin waren die Gespräche immer auch Werbung für die gesamte Berliner Suchtselbsthilfe. Da haben wir wegen des großen Angebots an „Face to Face“ und Online-Meetings von einem Schlaraffenland gesprochen. Hier in MV ist der „Selbsthilfe-Nachsorge-Tisch“ nicht ganz so reich gedeckt. Das LNW MV steckt gerade im Neuaufbau, notwendige Anträge sind seit einigen Monaten bei der Caritas und der Krankenkasse in Bearbeitung. Wir rechnen damit, das Anfang August 2025 die Koordinatoren Stelle bewilligt wird und etwas finanzielle Unterstützung anläuft. 

Was mache ich also? Zum einen mache ich bei den „Face to Face“ Gruppen Werbung für die Online Meetings. Ich glaube, dass man dort neue und junge Mitglieder für die Gruppen gewinnen kann. Zum anderen mache ich in der Klinik Werbung für die Online Meetings von NA und AA. Aus eigener Erfahrung bin ich davon überzeugt, dass das beste Mittel aus der Sucht abstinente Verbindungen sind. Ich selbst war 27 Jahre abhängig. Seit meinem 14. Lebensjahr habe ich Drogen und Alkohol konsumiert. Nunmehr lebe ich seit viereinhalb Jahren abstinent. 

Die letzten fünf Jahre meines Konsums waren die schlimmsten meines Lebens. Nur durch die Kraft der Gruppen habe ich den Weg aus meiner persönlichen Hölle gefunden. Ich weiß also, was Einsamkeit, Depression und Suizidgedanken sind und wünsche Niemandem so ein Schicksal. Die traurige Wahrheit ist aber, dass so viele Menschen gerade jetzt dasselbe Leid durchleben und so wie ich damals nicht wissen, wie sie dort jemals wieder rauskommen können.

Es muss von Herzen kommen was Herzen erreichen soll und meine Botschaft kommt aus tiefstem Herzen. Sie lautet: „Geht diesen Weg nicht alleine!“ Genesung ist kein Zuckerschlecken. Und Suchtdruck ist, wenn er nicht sofort erkannt und behandelt wird, wie eine Lawine. Ich bin ein harter Typ mit einer harten Vergangenheit, aber gegen den Suchtdruck war ich alleine völlig machtlos. Ich bin mir sicher, dass ich das hier heute nicht schreiben könnte, wenn ich die Gruppen damals nicht gehabt hätte.

Die Selbsthilfegruppen waren der erste Ort, wo ich so sein durfte wie ich bin und wo ich verstanden wurde und willkommen war. Allein zu wissen, dass es noch andere Menschen gibt, die denselben Kampf kämpfen und dieselbe Achterbahn der Gefühle durchleben, hat mir unwahrscheinlich viel Kraft gegeben. Was ich also tue ist, meine Erfahrung, Kraft und Hoffnung wöchentlich mit den 15-20 Patienten auf der Entgiftungsstation zu teilen und für sie lebender Beweis für ein glückliches und abstinentes Leben zu sein. Ich glaube, dass dort ein guter Ort ist, um abgeholt zu werden. Wer dort freiwillig hingeht will leben. 

Christian
Suchthilfelotse in MV