Im Rahmen einer Infoveranstaltung im Plenum meiner stationären Langzeittherapie in Briese, einer Therapieeinrichtung des ADV, erfuhr ich das erste Mal vom Lotsennetzwerk Berlin. Philipp Wango, der das Lotsennetzwerk vorstellte, beeindruckte mich, da er es schaffte, mich mit seinen Worten in meiner Situation abzuholen. Die Tatsache, dass er früher selbst in Briese war und jetzt in der Geschäftsführung bei einem „Betreuten Wohnen“ ist, beeindruckte mich.
Parallel fand innerhalb der Therapieeinrichtung auch regelmäßig eine Selbsthilfegruppe des Lotsennetzwerkes Brandenburg statt, an der ich mehrmals teilnahm.
Nach abgeschlossener Langzeittherapie bin ich über das Praktikum innerhalb der Adaptionsbehandlung das erste Mal näher mit dem Lotsennetzwerk Berlin in Kontakt getreten.

Ich war zu dem Zeitpunkt sehr verunsichert, wie es mit meinem Leben nach der Therapie wohl weitergehen würde. Ich hatte keine berufliche Perspektive, in meinen alten Job konnte ich nicht mehr zurück. Abstinent lebende Menschen kannte ich bisher nur aus der Therapie und in meine alte Wohnung wollte ich auf gar keinen Fall mehr zurück.
Ich stand also von außen betrachtet ziemlich mit leeren Händen da.
Das Einzige, was ich hatte, waren Fragen, auf die ich keine Antworten hatte, Ängste, die mir keiner nehmen konnte, ein paar Werkzeuge, die es mir erleichterten, mich selbst auszuhalten, und ein Dutzend Monate Abstinenz.
Das Praktikum im Haus Phönix Pankow gGmbH gab mir einen ziemlich schönen Eindruck, wie Suchtselbsthilfe funktionieren kann. Das war genau das, was ich gebraucht habe. Menschen, die die gleichen Fragen haben, die trotz aller Umstände rücksichtsvoll miteinander umgehen und in die gleiche Richtung gehen. Das gab mir Sicherheit, da ich gemerkt habe, ich stehe mit meinen Problemen nicht alleine da und es gibt Lösungen, die ich nicht gesehen habe.
Über das ortsansässige Lotsennetzwerk Berlin lernte ich Günter Wittek und Daniel Georgi kennen. Sie gaben mir die Möglichkeit, im Lotsennetzwerk bei den Infoveranstaltungen mitzulaufen und mich bei den Selbsthilfegruppen mit einzubringen. Durch das Vertrauen der beiden begann ich, mir auch selbst wieder etwas zuzutrauen.

Das Einzige, was ich dafür brauchte, ist eine Abhängigkeitserkrankung und die Bereitschaft, über meine Erfahrungen im Umgang damit zu sprechen.
Das gab mir die Möglichkeit, meine eigenen Erfahrungen als etwas Wertvolles zu sehen, statt mich selbst für meine Vergangenheit zu verurteilen. Auf einmal hatte ich Ressourcen, von denen auch andere profitieren konnten. Das war genau das, wonach ich gesucht hatte. Ich hatte wieder einen roten Faden im Leben. Ich wusste nicht, was am Ende dabei rauskommen würde, aber ich hatte eine Richtung, in die ich gehen konnte.
Das motivierte mich sehr. Ich fühlte mich das erste Mal seit langem wieder nützlich und als Teil der Gesellschaft. Etwas zurückgeben zu können, nachdem man viele Jahre von anderen genommen hat, war eine wirklich schöne Erfahrung. Dadurch habe ich vor allem gelernt, mich selbst wieder wertzuschätzen.
Nachdem ich regelmäßig mitgelaufen bin, habe ich angefangen, die ersten Infoveranstaltungen ohne Begleitung zu machen. Mit der Zeit verflog die Angst und es begann, mir richtig Spaß zu machen. „Step by Step“ wurde ich immer mehr zum Suchthilfelotsen.
Die Infoveranstaltungen wurden größer, ich bekam meine eigene Selbsthilfegruppe und meine ersten „zu Lotsenden“. Ich hatte die Möglichkeit, mich durch Teilnahme an Seminaren weiterzubilden. Das Ehrenamt als Suchthilfelotse öffnete mir auch weitere Türen. Ich fand über die Kontakte, die ich im Verlauf knüpfte, auch meinen jetzigen Arbeitgeber.
Das Netzwerk macht es mir zum jetzigen Zeitpunkt sehr leicht, clean zu bleiben, weil ich Menschen um mich herumhabe, die mir wichtig sind und denen ich wichtig bin. Ich habe Unterstützung in allen Fragen des Lebens und das macht es mir einfacher, die richtigen Entscheidungen für mein Leben zu treffen.
Woran ich besonders gemerkt habe, dass die Lotsentätigkeit mein Leben verändert hat, ist die Tatsache, dass ich jetzt genau die Infoveranstaltung in meiner alten Therapieeinrichtung zusammen mit Philipp Wango mache, an der ich früher selbst teilgenommen habe. Die Perspektive hat sich geändert; ich hoffe, ich kann anderen Menschen mit den gleichen Fragen und Ängsten, wie ich sie hatte, etwas Zuversicht für den Weg mitgeben.
Des Weiteren freue ich mich mittlerweile echt auf meine Zukunft und vor allem auf neue Herausforderungen wie die Ausbildung zum Suchtkrankenhelfer und das Studium.
Ich bin dem Lotsenetzwerk echt super dankbar, dass ich die Möglichkeit bekommen habe, mein eigenes Potential zu entdecken und es vor allem auch zu nutzen.
Johannes Krause, Lotse im Lotsennetzwerk Berlin