Ein persönlicher Beitrag zum Suchtselbsthilfe Fachtag vom Lotsennnetzwerk Berlin am 15. September 2025

In einer Zeit, in welcher man selten an,- eher belächelt wird; in welcher es selten Menschen gibt, die urteilsfrei füreinander da sind und noch immer ein Schubladendenken bevorzugen gibt es noch Orte und Zeiten, an denen noch genau das passiert – Menschen treffen aufeinander, die lernen und verstehen wollen, die sich vernetzen möchten und auch die, die Hoffnung in sich tragen um diese an die Menschen weiterzugeben, die genau das brauchen. Hoffnung!

Der 15.9.2025 war so ein Tag und im Olof Palme Zentrum ein solcher Ort. 132 Interessenten waren dort, um sich die Referate rund um das Thema „Sucht / Arbeit“ anzuhören und sich auszutauschen. Interessenten aus Krankenhäusern wie z.B.  Ärzte, Sozialarbeiterin*innen, Menschen die im Jobcentern arbeiten, Lots*innen aus Berlin und Brandenburg und Genesungsbegleiter*innen.

Nach der Eröffnung durch Günter Wittek und Philipp Wango sowie den Grußworten von der Landessuchtbeauftragten von Berlin, Frau Heide Mutter, erfolgte das Referat zum Thema „Sucht – Arbeit“ von Dr. med. Darius Chahmoradi Tabatabai. „Was bedeutet Arbeit?“ Arbeit ist nicht nur dazu da, um Geld zu verdienen. Der größere Wert liegt doch darin, Teil der Gesellschaft zu sein; sich wertgeschätzt zu fühlen und wertgeschätzt zu werden und somit sein Selbst zu erhöhen. 

Es folgte eine Vorstellung der Fachklinik F42 durch Herrn Martin Rüdiger, therapeutischer Leiter der Einrichtung. Bemerkenswert, welche Arbeiten das Team in dieser Klinik leisten. Entwöhnung – Adaption – Substitution. Sie sind für Menschen da, die den Glauben an sich verloren haben; sie Glauben an sie, wenn es sonst keiner mehr tut. Nicht nur aus der Sucht zu helfen, sondern sie helfen auch, wieder Teilhabe am Arbeitsleben zu bekommen; Struktur ins Leben zu bringen und soziale Einbindungen in ein drogenfreies Dasein. 

Nachdem stärkten wir uns. Das Mittagessen wurde zubereitet durch die Kantine der Polizeidirektion 1 Abschnitt18. Die Gäste wurden mit allerlei Fingerfood verwöhnt, so dass man nicht nur satt wurde, sondern auch selig. 

Am Nachmittag sollte Ralph-Dieter Wilk von der Suchthilfestiftung, Heidelberg, einen Vortrag über die Suchtselbsthilfe in Deutschland halten; aus gesundheitlichen Gründen war er leider verhindert. Für ihn hielt Dr. med. Alexander Stoll einen Vortrag über das Thema „endlich Abstinenz – aber auch glücklich? Wie finde ich mein Glück?“ Herr Dr. med. Stoll berichtete nicht nur davon, dass Drogen und Alkohol schlecht für einen sind; er sprach auch von den „guten Seiten“, was die Einnahme bewirkt, welche Glücksgefühle ausgeschüttet werden. Und die große Frage danach, was für Glück man nach der Abstinenz empfinden kann. 

Günter Wittek und Philipp Wango ließen nach dem Vortrag noch einmal 10 Jahre Lotsennetzwerk Berlin passieren. Wie Günter angefangen hat – von einer Idee über die Überzeugung bis hin zu fast 1.000 Begleitungen. 

Wie jedes Jahr erzählt einer der Lotsen aus dem Lotsennetzwerk Berlin seine persönliche Geschichte. In diesem Jahr hörten wir die Geschichte von Günter.  Mit seinen Höhen und seinen Tiefen, mit seiner Spirale nach unten bis zum Punkt der Hilfe, des Wiederaufstehens, des Kämpfens, des Nichtaufgebens. Günter kleidete seine Geschichte in solch bildlichen Farben, so dass man den Eindruck hatte, man würde danebenstehen und sein Leben als Film ablaufen sehen. 

Man sagt, das Beste kommt zum Schluss – Günter Wittek übergab die Koordination des Lotsennetzwerkes Berlin an Daniel Georgi mit Händedruck, einer Lotsenmütze und mit einer großen freundschaftlichen Umarmung. Und somit verabschiedete sich Günter Wittek, nicht wie man denken könnte in den wohlverdienten Ruhestand, sondern in die Koordination der bundesweiten Lotsennetzwerke. 

Ich möchte zum Abschluss mein ganz persönliches Highlight anbringen. In die Mittagspause wurden wir musikalisch begleitet. Nicola – eine Lotsin aus dem Lotsennetzwerk Berlin trug ihr selbst geschriebenes und komponiertes Lied vor – „Oh wandernde Seele“. Der Saal war ruhig – noch lang nach ihrem Vortrag. Was mich angeht – ich hatte Gänsehaut. Ihre Stimme, die kristallklar und voller Ausdruck ist, kann ich hier leider nicht wiedergeben. Jedoch gebe ich zum Ende des erfüllten und mehr als eindrucksvollen Tages die Zeilen von Nicola wieder, die für mich alles abrundend auf den Punkt bringen: 

„Oh wandernde Seele wo findest du Frieden? In den Wellen des Lebens? In den Kämpfen, in den Siegen? In dem Weltengetriebe? In den stillen Abschieden? Auf der Suche nach mehr, ist der Ort TIEF IN DIR!“

Nadine
Genesungsbegleiterin und Lotsin in Brandenburg

Nadine